Die SPÖ und ihre braunen Wurzeln

Flugblatt der »Revolutionären Sozialistischen Jugend«
an die Nationalsozialisten,
1936/37



NATIONALSOZIALISTEN!

Wie schwer hat das ganze deutsche Volk empfunden, als nach dem Kriege große Teile Deutschlands von fremden Truppen besetzt waren, daß es Schwarze waren, die als Besatzungstruppen verwendet wurden, Menschen einer niedrigen Kulturstufe. Mit Deutschland erwache! wurde vom Nationalsozialismus an dieses Gefühl der Empörung appelliert; mit dem Aufruf: Wehrt Euch gegen die nationale Unterdrückung! gewann Hitler viele von Euch. Heute ist Hitler an der Macht, heute ist er selber unter den Unterdrückern anderer Nationen. Im würdigen Bundes mit Mussolini, dem Versklaver Deutsch-Südtirols, unterstützt er politisch und militärisch, mit Menschen, Geld und Waffen die spanischen Rebellen. Jenen Franco unterstützt er, der eine Regierung bekämpft, die von der großen Masse des Volkes eingesetzt worden ist. Er hilft der Offiziersclique, die marokkanische Söldner — Schwarze darunter — gegen ihr eigenes Volk führen, er stützt jene aristokratischen Bestien, die allein in Badajoz 2000 Menschen geschlachtet, die die Herrschaft ihres Landes mit Brand- und Explosivbomben überschüttet haben. Um das Volk von seinen wirtschaftlichen und politischen Interessen abzulenken, werden in Deutschland immer neue Gesetze und Verordnungen über Menschenzüchtung herausgegeben, werden immer wieder Menschen, wegen der Wahl ihrer Geschlechtspartner, wegen »Rassenschande« hart bestraft.
     Die wahre Rassenschande begeht Hitler selbst, indem er es den spanischen Faschisten mit deutschem Geld und deutschen Waffen ermöglicht, durch schwarze Söldner ihr eigenes Volk, »arische« Spanier, ermorden zu lassen.
     Deutschland ist erwacht, um Henkerdienste zu leisten.
     Hitler steht auf der Seite der nationalen Unterdrücker!
     Nationalsozialisten, habt Ihr dafür gekämpft?

Das Finanzkapital beutet Dich, deutscher Arbeiter, Dich, deutscher Unternehmer, aus. Das Finanzkapital ist der Jude, Juda verrecke! Nicht der jüdisch-marxistische, internationale Sozialismus, nur der deutsche, der Nationalsozialismus, kann Dich befreien. Du kennst das, Nationalsozialist; wie oft wurde Dir das gesagt?
     Der deutsche Sozialismus, der »Nationalsozialismus«, ist in Deutschland an der Macht. Vier Jahre schon! Ist der deutsche Arbeiter befreit.? Die Juden sind entrechtet und vertrieben. Mehr als früher ist der Unternehmer der Herr im Betrieb, Profite und Dividenden steigen, der Reallohn des Arbeiters ist gesunken, die Arbeitszeit ist länger als früher.
     Ist das »Gemeinnutz geht vor Eigennutz«?
     Die Banken bestehen nach wie vor. Erst vor kurzem hat das Reich seine Beteiligungen an Privatunternehmungen, an Privatbanken verkauft.
     Ist das die Vernichtung des räuberischen Finanzkapitals?
     Die Jugend Deutschlands ist heute im Heer, im Arbeitsdienst, in der Kriegsindustrie. Als Soldat muß sie Kanonenfutter werden, im Arbeitsdienst muß sie Sklavendienste für die Großgrundbesitzer leisten. In der Waffenfabrik und im Straßenbau muß sie für den Krieg arbeiten.
     Ist das die Befreiung der Jugend?
     Mit aller Kraft rüstet Deutschland zum Krieg. Gerüstet wird, um die Kapitalisten verdienen zu lassen, der Krieg wird geführt werden, um ihnen neue Ausbeutungsgebiete zu erschließen.
     Hitler steht auf der Seite der Unternehmer und der Banken.
     Nationalsozialist, ist das der Sozialismus?

Im Programm der NSDAP, verspricht Hitler die nationale Einigung aller Deutschen. Auf keinen Deutschen will er verzichten, nicht in Südtirol und nicht in Österreich. Hat Hitler wenigstens dieses Versprechen gehalten? — Der Nationalsozialismus ist in Deutschland an der Macht.
     Auf die Deutschen Südtirols hat Hitler bald verzichtet, um es sich mit Mussolini nicht zu verderben. Der Verzicht auf die Deutschen Österreichs ist am 11. Juli erfolgt.
     Österreichische Nationalsozialisten, mit dem Abkommen mit Schuschnigg hat Euch Hitler verraten! Er hat Österreich für die imperialistischen Ziele der deutschen Kapitalistenklasse eingespannt und hat Euch dafür verkauft. Wieviele von Euch sind gehenkt worden, wieviele von Euch sind in Österreichs Kerkern und in Wöllersdorf gesessen! Wieviele von Euch haben ihre Existenz verloren, wieviele von Euch haben die schwersten Opfer gebracht für den Führer, für Hitler!
     Hitler weiß, was er tut. Oh ja, er weiß es sehr gut. Er führt die Geschäfte des Kapitals, er treibt die Welt in den Krieg für fette Profite der deutschen Unternehmer. Er hat die Sehnsucht der deutschen Arbeiter nach dem Sozialismus benützt, um sie noch tiefer zu versklaven; er hat Euch durch sein Auftreten gegen die Schwarzen gewonnen und er schließt jetzt Frieden mit dem Papst, er hat Euch kämpfen lassen, um Euch an Schuschnigg und Mussolini zu verraten! Er hat sich einen Sozialisten genannt und führt nun durch seinen Strohmann Franco Krieg gegen das spanische Volk, das im Begriffe war, seine Ausbeuter und Quäler zu verjagen!
     Hitler hat Euch durch Lügen gewonnen, Hitler ist der Geschäftsführer der Bourgeoisie!
     Nationalsozialisten, wart Ihr dafür im Kerker?

Der Nationalsozialismus hat die Arbeiterparteien und Gewerkschaften, er hat die Organisationen der Arbeiterschaft zerschlagen, Tausende hat er aus dem Lande gejagt, eingekerkert, ermordet. Jede freie Meinungsäußerung hat er unterdrückt, die Geister durch chauvinistische Hetze zu verdummen versucht.
     Der Sozialismus aber lebt und keine Verfolgung kann ihn vernichten. Er lebt in Italien des fünfzehnjährigen Faschismus so wie in allen Ländern der Demokratie, er lebt überall, wo Menschen vom Kapitalismus ausgebeutet werden. Er lebt in Deutschland und in Österreich, illegal, verfolgt, von Kerker und Henker bedroht.
     Wir Revolutionären Sozialisten, wir hoffen auf keinen Führer, wir vertrauen nur auf unsere eigene Kraft und auf die Kraft unserer Idee. Unsere Mission ist es, die Vorhut der Arbeiterklasse zu sein, ihr Führer im Kampf um den Aufbau des Sozialismus. Wir kämpfen gegen die Ausbeutung eines Menschen durch den anderen. Wir wollen die Klassengegensätze abschaffen und die Betriebe in die Verwaltung der Arbeiter überführen. Den Bauern wollen wir den Boden geben und Erzeugung und Verteilung planmäßig regeln. Wir wollen, daß die ganze Menschheit Nutzen hat von den Wundern der modernen Technik. Jeder Mensch soll zumindest das haben, was er zum Leben braucht, und jedes Kind den Unterricht, der seinen Gaben entspricht. Wir kämpfen gegen diese Ordnung, die den Menschen in Verbechen und Elend treibt und den Krieg zur ständigen Geißel der Menschheit macht.
     Wir arbeiten für die freie, brüderliche Zusammenarbeit aller Menschen.
     Nationalsozialisten, kommt zu uns!

RSJ. führt!

Die Revolutionäre Sozialistische Jugend

RSJ. wird siegen!


Flugblatt der Revolutionären Sozialistischen Jugend an die Nationalsozialisten, 1936/37
Quelle: »Rote Jugend«, Organ der Revolutionären sozialistischen Jugend Österreichs, Nr. 15—16, zitiert nach: Wolfgang Neugebauer: »Die sozialdemokratische Jugendbewegung in Österrech 1894—1945«, Wien: Universitä, Philosophische Fakultät, 1969 (Dissertation), Anhang S. 302

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