An den

Herrn Präsidenten des Nationalrates
Wien zur Zahl 4882/J—NRI1 998

Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Terezija Stoisits, Freundinnen und Freunde haben an mich eine schriftliche Anfrage, betreffend Strafanzeige gegen K.D. aufgrund des Artikels vom 13.11.1997 in der Zeitschrift "Der 13." gegen homosexuelle Personen, gerichtet und folgende Fragen gestellt:

  1. Wie lautet die Begründung der Staatsanwaltschaft Linz, mit der im gegenständlichen Fall die Zurücklegung der Strafanzeige gegen K.D. erfolgte?
  2. Ist es allgemein gültige Meinung der Anklagebehörde, daß durch derartige Artikel der Tatbestand der Verhetzung nicht vorliegt?
  3. Wann ist dann der Tatbestand des A7 283 StGB (Verhetzung) nach Meinung der Anklagebehörde erfüllt?
  4. Denken Sie angesichts dieser Entscheidungspraxis der Anklagebehörde an eine Novellierung des A7 283 StGB (Verhetzung), um den Schutz der Menschenrechte für soziale, ethnische, kulturelle und andere Minderheiten nicht vorliegt?
  5. Wie lautet die Begründung der Anklagebehörde, daß durch den gegenständlichen Artikel ein Verstoss gegen das Verbotsgesetz nicht vorliegt?
  6. Warum stellt für die Anklagebehörde die Aufforderung, mit allen Mitteln gegen Lesben und Schwule vorzugehen (Bürgerwehren zu errichten, mit Ochsenzimmer zurechtweisen, ...), keine Aufforderung zu einer mit Strafe bedrohten Handlung dar?
  7. Der Richter des Landesgerichtes Linz im Verfahren 24EVr2236/97 vergleicht in seiner Urteilsbegründung die Homosexualität mit Verhalten in der Tierwelt (5 14 f des Urteiles). Teilen Sie die Auffassung, daß dadurch die Gesinnung der homosexuellen Antragsteller/innen verächtlicht gemacht wird?
  8. Was wird von Ihrem Ministerium aufgrund dieser Entgleisung gegen den betroffenen Richter unternommen.
  9. Werden Sie veranlassen, daß gegen ihn ein Disziplinarverfahren eingeleitet wird?
  10. Werden Sie dafür sorgen, daß sich die Justizbehörden bei den lesbischen und schwulen Antragsteller/innen für dieses Verhalten eines Richters entschuldigen?

Ich beantworte diese Fragen wie folgt:

Zu 1 bis 3 und 5 bis 6:

Die Staatsanwaltschaft Linz führte in ihrem Bericht vom 10. Dezember 1997, 10 St 352/97h, mit dem sie der Oberstaatsanwaltschaft Linz über die Einstellung des Strafverfahrens gegen K.D. Mitteilung machte, folgendes aus:

"Der Anzeiger... übermittelte Ablichtungen eines Teiles der Ausgabe Nr.11 vom 13.11.1997 des periodischen Druckwerkes ""Der 13." mit Verlagsort in Kleinzell, in welcher ein vom Angezeigten K. D. verfaßter Artikel erschien, durch welchen nach Ansicht des Anzeigers die Tatbestände der A7A7 283 StGB und 3 g VerbotsG verwirklicht sind.

In diesem Artikel wird eine Homosexuelle und Lesben ablehnende Haltung vertreten. In diesem Zusammenhang kritisiert der Artikelverfasser, daß in einem vom Erzbischof von Wien, Christoph Schönborn, redigierten "Neuen Katechismus" angeführt ist: "Eine nicht geringe Zahl von Männern und Frauen sind homosexuell veranlagt. Sie haben diese Veranlagung nicht selbst gewählt; für die meisten von ihnen stellt sie eine Prüfung dar. Ihnen ist mit Achtung, Mitleid und Takt zu begegnen. Man hüte sich, sie in irgendeiner Weise zurückzusetzen.", wobei in dem Artikel in der Folge dargelegt wird, daß die Homosexuellen nach Meinung des Verfassers nicht Opfer einer Veranlagung seien, sondern es sich dabei um von diesen zu steuernde Neigungen handle.

Weiters wird in dem Artikel kritisiert, daß der Erzbischof von Wien, Christoph Schönborn, in einem ORF-Interview erklärt habe, er habe Homosexuellen- und Lesbenmessen in einer Wiener Kirche nur deshalb untersagt, um die Betroffenen nicht zu ghettoisieren; dies wird vom Artikelverfasser damit kommentiert, daß , wenn es einen Mount Everest der Feigheit gäbe, der Herr Erzbischof von Wien ihn mit dieser Aussage mühelos erstiegen hätte. In der Folge wird der Leiter der Arbeitsgruppe Homosexualität und Katholische Kirche, Johannes Wahala, als "Magister der Homophille" bezeichnet;

weiters wird angeführt, daß der "Schwulen und Lesbenseelsorger Wahala" mit seiner frommen Gemeinde schließlich in ein unterirdisches Gewölbe am Donaukanal auswich, wo die Abwässer von Wien zusammenfließen: das sei der passende Ort für eine Homosexuellenwerbung im Fernsehen.

Weiters wird ausgeführt. daß Homosexuelle und Lesben in der Kirche, insbesondere den "Mystischen Leib Christi‘", mit ihrer abartigen und sündigen Leiblichkeit verunehren; sie gehörten geschlechtsspezifisch mit Peitsche und Ochsenziemer zurechtgewiesen; weiteres seien die laufenden Provokationen durch das Perverse mit allen Mitteln des möglichen Widerstandes zu beantworten.

Zuletzt wird an den Erzbischof von Wien appelliert, "den Degen zurückzuziehen und das Untier in allen seinen apokalyptischen Erscheinungen mit elegantem, aber treffsicherem geistigem Stoß zu erledigen".

Zum angezeigten Verdacht nach A7 283 StGB ist anzuführen, daß ein Tatbestand im Sinne dieser Gesetzesstelle nicht gegeben ist, weil Homosexuelle und Lesben keine bestimmte, einer Kirche oder Religionsgemeinschaft, einer Rasse, einem Volk, einem Volksstamm oder einem Staat zugehörige Gruppe darstellen.

Wenn in dem Artikel unter anderem angeführt ist, Homosexuelle und Lesben "gehörten geschlechtsspezifisch mit Peitsche und Ochsenziemer zurechtgewiesen", so kann darin eine Aufforderung zu einer mit Strafe bedrohten Handlung im Sinne des A7 282 Abs. 1 StGB nicht erblickt werden, da dies einerseits im Kontext mit dem sonstigen Inhalt des Artikels, insbesondere zum oben angeführten, zuletzt angeführten Appell an den Erzbischof von Wien, wohl nur im übertragenen Sinne verstanden werden kann, dieser Passus andererseits bei anderen nicht unmittelbar den Entschluß zur Begehung von Straftaten erwecken soll (Leukauf-Steininger, StGB3, RN 3 zu A7282).

Wenn nun, wie bereits eingangs zitiert, dem Erzbischof von Wien, Christoph Schönborn, Feigheit vorgeworfen und Mag. Johannes Wahala als "Schwulen- und Lesbenseelsorger" tituliert wird, so handelt es sich dabei um die Schwelle der Strafbarkeit noch nicht überschreitende Kritik, sodaß die Tatbestände der A7A7 111 Abs. 1 (Zeihung einer verächtlichen Eigenschaft) bzw. 115 Abs. 1 (Beschimpfung, Verspottung), 117 Abs. 2, letzter Satz StGB nicht gegeben sind.

Die Ansicht des Anzeigers, es läge auch der Verdacht eines Tatbestandes nach dem Verbotsgesetz vor, bezieht sich offenbar auf jene Passage des Artikels, in welchem angeführt wird, daß in St. Pölten an einem Sonntag die "Warmen" zum Domplatz gezogen seien, um die Gläubigen, die aus dem Dom traten, mit ihrem Anblick zu belästigen. C4hnliches habe in der Nazizeit die Hitler-Jugend getan, wobei weiters angeführt wird, daß, wer Nazimethoden praktiziere, mit ebensolchen konfrontiert werden sollte.

Anhaltspunkte für das Vorliegen des Tatbestandes des A7 3 g VerbotsG ergeben sich nicht.

Es wurde daher das Verfahren gegen K. D. mit heutigem Tage gemäß A7 90 StPO eingestellt."

In ihrem weiteren Bericht vom 14. Jänner 1998 führte die Staatsanwaltschaft Linz aus:

"Unter Bezugnahme auf den ha. Bericht vom 10.12.1997,10 St 352/97h, von welchem eine Ausfertigung beigeschlossen ist, wird berichtet, daß wegen des im Vorbericht angeführten, von K. D. verfaßten Artikels im periodischen Druckwerk "Der 13.", Ausgabe Nr. 11 vom 13.11.1997, nunmehr auch vom D6sterreichischen Lesben- und Schwulenforum sowie weiteren 52 Einschreitern Anzeige wegen A7A7 106,107, 282, 283 StGB, A7 3 g VerbotsG erstattet wurde.

Es ergeben sich aus dieser Anzeige keine über den bereits zu ha. 10 St 352/97h behandelten Sachverhalt hinausgehende Verdachtsmomente, insbesondere nicht solche für das Vorliegen der von den Anzeigern ebenfalls angeführten Tatbestände der A7A7 105, 107 StGB.

Es wurde daher das Verfahren gegen K. D. aus den im bereits mehrfach zitierten ha. Vorbericht vom 10.12.1997 angeführten Gründen gemäß A7 90 StPO eingestellt."

Zu 4:

Die wiedergegebenen Rechtsausführungen der Angeklagebehörde, insbesondere zu A7 283 StGB, entsprechen der geltenden Rechtslage, sodaß eine allfällige Kritik an diesen Ausführungen nicht berechtigt wäre.

Was die Frage nach einer Novellierung des A7 283 StGB im gegebenen Zusammenhang anlangt, erinnere ich daran, daß das Bundesministerium für Justiz im Rahmen seiner Zuständigkeit bereits mehrmals initiativ geworden ist, die wohl vorgelagerte Problematik des A7 209 StGB einer umfassenden Diskussion zuzuführen. Die Frage des unterschiedlichen Schutzalters im Sexualstrafrecht wurde auch in die Erörterungen der von mir eingesetzten Arbeitsgruppe zur Reform des Sexualstrafrechts einbezogen. Seit 1. Oktober 1998 ist eine Neufassung des A7 72 Abs. 2 StGB in Kraft, die bewirkt, daß auch gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften im materiellen Strafrecht und im Strafprozeßrecht gleich einem Angehörigenverhältnis behandelt werden.

Die Frage, welche legistischen Maßnahmen am geeignetsten erscheinen, jeder Art von Diskriminierung entgegenzuwirken, ist derzeit Gegenstand von Beratungen eines gemischten (dh. aus Vertretern betroffener Ministerien und verschiedener nichtstaatlicher Organisationen zusammengesetzten) Arbeitskreises, der im Rahmen des Menschenrechtsjahres 1998 ins Leben gerufen wurde und sich mit der Frage der Ausarbeitung eines Antidiskriminierungsgesetzes befaßt. Ich sehe den Ergebnissen dieses Arbeitskreises, der vom Bundesministerium für Justiz gefördert wird, und dem in weiterer Folge notwendigen Dialog mit allen Betroffenen darüber, ob und inwieweit eine C4nderung des A7 283 StGB sinnvoll erscheint, mit Interesse entgegen. Dabei muß freilich im Auge behalten werden, daß eine allfällige Ausweitung des Tatbestandes des A7 283 StGB auf bestimmte weitere Bevölkerungsgruppen für sich allein kaum geeignet sein kann, diese Gruppen vor Diskriminierungen oder beleidigenden C4ußerungen zu schützen.

Zu 7:

Ich habe bereits in der D6ffentlichkeit und in den Antworten auf verschiedene mir zugekommene Schreiben darauf hingewiesen, daß ich für die in Rede stehende Argumentation in der schriftlichen Ausfertigung des im Verfahren 24 EVr 2326/97 des Landesgerichtes Linz ergangenen Urteils kein Verständnis aufbringen kann.

Zu 8 und 9:

Das Bundesministerium für Justiz hat veranlaßt, daß das Oberlandesgericht Linz als Disziplinargericht für Richter von Amts wegen prüft; ob der Richter, der das in Rede stehende Urteil verfaßt hat, gegen die im A7 57 Abs. 3 des Richterdienstgesetzes normierten Pflichten verstoßen hat. Der Beschluß auf Einleitung eines Disziplinar- verfahrens fällt in die Zuständigkeit des Disziplinargerichtes.

Zu 10:

Wie in den Medien bereits berichtet wurde, hat sich der betreffende Richter mittlerweile mit dem Ausdruck des Bedauerns entschuldigt. Er erklärte, daß er durch das in die Urteilsbegründung aufgenommene Zitat des Sexualwissenschaftlers Ernest Borneman keinesfalls eine bestimmte Menschengruppe mit Tieren gleichsetzen habe wollen; eine derartige Herabsetzung sei ihm fern gelegen.

Der betreffende Richter hat im übrigen am 18. September 1998 einen Beschluß gefaßt, wonach die schriftliche Ausfertigung des in Rede stehenden Urteils "dem am 13. Juli 1998 verkündeten Urteil dahingehend angeglichen" wird, daß das kritisierte Zitat, das in der mündlichen Urteilsbegründung nicht enthalten war, "ersatzlos zu entfallen hat". Dieser Beschluß wird unter Hinweis auf eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes damit begründet, daß ein mit dem mündlich verkündeten Urteil nicht übereinstimmendes schriftliches Urteil berichtigt werden kann.